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Michael Voigtländer bei LinkedIn News DACH Interview 15. April 2024

Vier Fragen an IW-Immobilienexperte: Der Immobilienmarkt dreht sich noch in diesem Jahr

Im Interview mit LinkedIn News DACH spricht IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer über die aktuellen Chancen am Immobilienmarkt, wo die Preise am meisten anziehen könnten und wie sich die prognostizierte Zinssenkung der EZB auf den Markt auswirken dürfte.

Die US-Notenbank Fed hat bei ihrer letzten Notenbanksitzung auf die Bremse gedrückt, die EZB dagegen zeigt sich offen gegenüber Zinssenkungen im Juni. Viele Makler sehnen diese herbei. Rechnen Sie mit einer schlagartigen Belebung, sollte es zu Zinssenkungen im Juni kommen?

In den langfristigen Finanzierungszinsen, also etwa für Immobilienkredite mit 10-jähriger Zinsbindung, sind Erwartungen bereits eingepreist. Schon im Dezember 2023 gingen die Finanzierungszinsen runter, weil die Marktteilnehmer mit Leitzinsänderungen in diesem Jahr gerechnet haben. Kommen diese nun, dürfte dies keine wirkliche Wirkung auf die Zinssätze haben. Allerdings entwickelt sich die Inflation insgesamt günstiger als erwartet. Sollte sich dies bestätigen, könnten die Zinsen noch etwas weiter heruntergehen, aber eher langsam. Für den Immobilienmarkt bedeutet dies aber, dass nicht mit einer schlagartigen Verbesserung der Finanzierungssituation gerechnet werden kann. Nichtsdestotrotz sollten aber die steigenden Neuvertragsmieten und die neue Sonder-Abschreibung das Transaktionsgeschehen wieder beleben.

Aktuell stehen viele Immobilien längere Zeit auf dem Markt, Käufer:innen haben einen gewissen Spielraum. Wie lange dürfte dieses Zeitfenster offenbleiben?

Ich denke, dass sich dieses Fenster relativ schnell schließt. Aufgrund der Rückgänge im Wohnungsbau werden Wohnungen noch knapper, hinzu kommt die starke Zuwanderung in die Großstädte, u. a. auch durch die dringend benötigte Zuwanderung von internationalen Arbeitskräften. Mit weiter steigenden Neuvertragsmieten und der zunehmenden Gewöhnung an das Zinsniveau wird die Nachfrage nach Kaufobjekten wieder anziehen, damit steigt die Konkurrenz um die Objekte. Gerade bei Objekten in den Ballungszentren mit einer ordentlichen Energiebilanz gibt es auch aktuell nur wenig Preisabschläge. Lediglich bei Immobilien mit Sanierungsbedarf in peripheren Räumen dürfte es auch zukünftig bei einem Käufermarkt bleiben.

Eigentumswohnungen gingen 2023 in den sieben Top-Metropolen durchschnittlich um 5,8 Prozent zurück, zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes. Nach Einschätzung des IfW ist das der größte Rückgang seit rund 60 Jahren. Wie schnell könnte das Pendel wieder umschlagen und in welchen Städten könnten die Preise besonders schnell ansteigen?

Ich gehe fest davon aus, dass die Wohnungspreise schon in diesem Jahr wieder steigen werden, wenn auch nicht so stark wie noch in den 2010er Jahren. Das DIW rechnet mit nur 177.000 neuen Wohnungen im Jahr 2025, der Bedarf ist aber ungleich höher. Daher steigen die Neuvertragsmieten mittlerweile mit 6 Prozent pro Jahr, 2020 waren es noch 4 Prozent. Dies macht Immobilien attraktiver, zumal langfristig eben auch mit niedrigeren Zinsen gerechnet werden kann. Ganz entscheidend für die Preisentwicklung ist aber auch die lokale Nachfrage, die durch die Zahl der Haushalte und die Einkommensentwicklung bestimmt wird. Hier haben Großstädte die Nase vorn, Städte wie Berlin und München wachsen sehr stark. Und da dort vor allem Unternehmen aus der Dienstleistungsbranche tätig sind, deren Entwicklung deutlich dynamischer ist als im Industriesektor, wachsen dort auch die Einkommen schneller.

Wer vor knapp zehn Jahren eine Immobilie gekauft hat ,konnte sich deutlich günstigere Zinsen sichern. Gleichzeitig sprach JPMorgan-Chef Jamie Dimon erst kürzlich davon, dass die Zinsen langfristig auf ein deutlich höheres Niveau steigen könnten. Sollten Immobilienkäufer:innen bei der Finanzierung jetzt darauf spekulieren, dass die Zinsen in den kommenden Jahren wieder fallen?

Kurzfristige Zinsprognosen sind immer schwierig, da die Zinsen sehr stark durch Erwartungen bestimmt werden, u. a. mit Blick auf die Entwicklung der Inflation, der kurzfristigen Zinsen sowie der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung. Langfristig kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Zinsen wieder sinken, denn aufgrund der demografischen Entwicklung in den Industrieländern, insbesondere der laufend steigenden Rentenbezugszeit, muss die Ersparnisbildung ständig steigen. Mehr Ersparnisse wiederum bedeuten mehr Angebot im Geldmarkt und damit fallende Zinsen. Diese Aussicht hilft aber nicht demjenigen, der jetzt Geld anlegen oder eine Immobilie zur Selbstnutzung kaufen möchte. Allerdings könnte man einen Teil der Finanzierung mit einer kürzeren Zinsbindung versehen, um von dieser Entwicklung profitieren zu können. Dies sollte man aber nur dann umsetzen, wenn man das Risiko einer doch ungünstigeren Entwicklung, zum Beispiel aufgrund der Geopolitik, auch tragen kann.

Zum Interview auf LinkedIn.com

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